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    Türchen zum 2. Dezember 1885

    An diesem Tag erschien in der Annener Zeitung ein Bericht zur Einweihung der Wittener Synagoge:
    „… Am Freitag, den 27. Nov., fand die feierliche Einweihung der neuerbauten Synagoge statt. Das wohlgelungene Gotteshaus, eine Zierde der Stadt, hatte sich bereits um 3 Uhr gefüllt, und begann eine halbe Stunde später der Weiheakt. Nachdem unter Chorgesang die ewige Lampe entzündet, und die Gesetzesrollen in feierlichem Umzuge an ihren Bestimmungsort gebracht waren, hielt Herr Dr. Jaulus aus Aachen die Festpredigt über den Text: „Diesen Tag hat Gott gemacht, daß wir jubeln und uns an ihn freuen.“ In erbauender, tiefsinniger Weise führte er aus, welchen Zwecken das Gotteshaus dienen solle, und hob besonders hervor, daß in ihm Liebe zu Thron und Reich geweckt und gepflegt werden… Die Reserveplätze der Ehrengäste waren gut besetzt und wurde u. a. auch Herr Bürgermeister Bürkner, mehrere Stadtverordneten und Vertreter der Lehrerschaft bemerkt. Samstag morgen hielt Herr Dr. Jaulus seine zweite Predigt vor vollzählig erschienener Gemeinde… Nachdem die Synagoge in so würdiger Weise ihrer Bestimmung übergeben war, wurde auch der fröhlichen Gesellschaft durch Konzert und Ball im Voß’schen Saale ihr Recht. Der Kaisertaost wurde von Herrn Bürgermeister Bürkner ausgebracht und deutete Redner auf die konfessionellen Hetzereien unserer Tage hin, welche den toleranten Traditionen der Hohenzollern schnurgerade entgegen seien. Nachdem die Nationalhymne gesungen, brachte Herr Löwenstein den Ehrengästen, Herr Dr. Jaulus der Gemeinde und Lehrer Oswald dem Erbauer der Synagoge, Herrn Rademacher, ein Hoch. Die kleinen Gäste wurden durch niedliche Geschenke erfreut und begann der Ball gegen 9 Uhr, welcher die Teilnehmer in fröhlicher Stimmung bis zum frühen Morgen versammelt hielt.“

    Anmerkung: 53 Jahre später, in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938, setzten Nazis die Wittener Synagoge in Brand. Schaulustige besichtigten am Morgen des 10. Novembers das ausgebrannte jüdische Gotteshaus. Die Restmauern des Gebäudes wurden später abgerissen. Dies war das traurige Ende einer jüdischen Gemeinde in Witten – bis heute.

    Quelle: Stadtarchiv Witten, Zeitungssammlung, Annener Zeitung vom 02.12.1885
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    Foto: J. Fruck

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